Weshalb wir die Pandemie nicht effizient bekämpfen
Wir machen immer wieder die gleichen Fehler. Wir verlieren das Wesentliche aus den Augen. Statt dass wir alle zusammen die Pandemie effizient bekämpfen, zersplittern wir uns in Gruppen. Verlieren uns in Nichtigkeiten. Diskutieren, überlegen, handeln zu langsam. Und was noch viel schlimmer ist – es gibt Menschen, die nicht das Virus, sondern andere Menschen bekämpfen. Denn auch das macht Corona deutlich: Die Hemmschwellen sinken. Widerliches kommt ans Tageslicht. Pöbeleien, Hass, Gewaltaufrufe.
Hier offenbaren sich die menschlichen Schwächen, die immer wieder, zu allen Zeiten, zu Katastrophen geführt haben. Kriege. Pogrome. Umweltzerstörung. Und jetzt, aktueller denn je, der Klimawandel. Kleingeist, Unvernunft, mangelnde Weitsichtigkeit und Egoismus scheinen in der Summe stärker zu sein als Klugheit, Besonnenheit und Zusammenhalt.
Warum tun wir nicht konsequent, was nötig ist?
Warum tun wir nicht einfach das, was nötig ist? Ein Virus zu bekämpfen bedeutet doch wohl in erster Linie, Ansteckungen zu verhindern. Und zwar überall da, wo diese erfolgen. Also auch in den Büros und Produktionshallen großer Unternehmen. Auch während der Pause in der Teeküche. Und natürlich in Häusern, Fahrstühlen und Wohnungen. Beim heimlichen Treffen mit den Freunden, bei dem man sich mit dem Bierglas in der Hand auch noch freut, dem Staat eins ausgewischt zu haben.
Was steht dem wirkungsvollen und vor allem rechtzeitigen Einsatz gegen die Pandemie eigentlich alles im Weg? Und sind diese Hindernisse tatsächlich so schwer zu überwinden?
Corona hat’s auf der Party gerade lustiger
Stellen wir uns mal vor, das Virus mit seinen Mutanten und wir Menschen sind gerade auf derselben Party. Jetzt wäre es ratsam, dafür zu sorgen, dass die Party für die Coronafamilie nicht lustiger wird als für uns. Und was passiert wirklich?
Am Buffet steht stocksteif die Bürokratie und frisst wertvolle Zeit einfach auf. In der marginal beleuchteten Lounge lümmelt der Lobbyismus und raunt, dass zu viele Tests zu viel kosten und dass Homeoffice hier und wohl auch dort eine schlechte Idee ist. Im Saal neben der Lounge diskutieren derweil die Veranstalter der Party mit ausgesuchten Wissenschaftlern, wie sie ihre Gäste am besten schützen. Einige hören mehr auf das Geraune aus der Lobby nebenan, andere mehr auf die Wissenschaftler. Es gibt viele Ideen, Einigkeit gibt es eher nicht.
Die Partygäste dürfen nicht auf die Tanzfläche, aber einige gehen trotzdem hin. Die meisten sitzen familienweise verpackt in Separées. Manche treffen sich heimlich im Keller. Auf der Bühne spielt niemand Tanzmusik, doch es treten bekannte Figuren mit einer zwar komplett informationslosen, dafür aber zynischen Kabarettvorstellung auf. Es kommen Buhrufe, aber es kommt auch Applaus. Letzterer vor allem von denen, die lieber an Verschwörungen glauben als an Corona.
Zwischen Zeitverschwendung und Zynismus, Geraune und Verständnislosigkeit tanzt derweil das Virus überall da von Wirt zu Wirt, wo man es ihm leicht macht. Corona scheint es tatsächlich gerade lustiger zu haben als wir. Wir hätten die Party absagen sollen.
Auf geht’s! Immer geradeaus zum Ziel
Okay, genug fabuliert. Statt auf der Party herumzuirren, sollten wir uns jetzt endlich mal geradeaus bewegen. Auf unser Ziel zu. Das Ziel heißt: das Virus so gut wie möglich stoppen. Wenn wir den Viren keine Gelegenheit mehr geben, von dem einen auf den nächsten Wirt zu wechseln, hat Corona zwangsläufig bald ausgetanzt. Wie schafft man das? Wenig Kontakte, vor allem in Innenräumen, wirksame Masken, Impfen. Und mit möglicht vielen Tests die Virusträger finden und isolieren. Das klingt doch eigentlich nicht besonders kompliziert.
Es bringt nichts, immer wieder das „Wir-haben-zu-spät-zu-wenig-Impfstoff-bestellt“-Fass aufzumachen. Mittlerweile entspannt sich die Lage immerhin. Und wenn wir beklagen, dass im vergangenen Sommer zu wenig Vorbereitungen auf eine zweite und dritte Corona-Welle getroffen wurden, ist das sicher richtig. Aber auch dieses Lamento hilft uns gerade nicht weiter. Vergangene Fehler können wir nach der Pandemie aufarbeiten. Jetzt sollten wir unsere Energie lieber darauf verwenden, künftige Fehler zu vermeiden. Wir haben doch dazugelernt, oder nicht?
Dreiviertellockdown setzt uns in die Dauerschleife
Manchmal bin ich mir da nicht so sicher. Trotz der Bundesnotbremse und der strengen Regelungen in unserem Bundesland befinden wir uns gefühlt immer noch in einer Art halbem oder Dreiviertellockdown. Natürlich gibt es Berufe, in denen man nicht zu Hause arbeiten kann. Aber genau so gibt es Menschen, die ins Großraumbüro gehen, obwohl sie zumindest einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus machen könnten. Die angekündigte Testpflicht in den Unternehmen schleppt sich als müde Testangebotspflicht durch den Alltag der Arbeitnehmer. Und überall, in Supermärkten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, sogar im Wartezimmer von Arztpraxen, sehe ich immer wieder Menschen mit lose vor dem Kinn schlabbernder medizinischer Maske, während die Nase drüber wegguckt. Wie, bitteschön, sollen wir Corona so daran hindern, sich bei neuen Wirten einzunisten?
In der Segelschule rotieren wir im Moment in einer Dauerschleife. Seit Wochen sagen wir praktischen Motorboot- und Segelunterricht erst zu, dann wieder ab. Wir planen, planen um, planen neu. Die Regeln haben sich immer wieder geändert. Die meisten unserer Teilnehmer nehmen das hin, zeigen Empathie und sind freundlich. Aber bei einigen liegen jetzt die Nerven blank. Die Grenze zum Rumpöbeln hat auch schon einer überschritten. Und es gibt tatsächlich solche, die glauben, dass Corona die Erfindung einer bösen Macht im Hintergrund ist. Und dass alle, die sich vor dem Virus schützen möchten, blöd sind. Das ist zum Glück bei unseren Kursteilnehmern nur eine Minderheit.
Bei Dummheit in der Krise hört der Spaß auf
Trotzdem ärgert mich das. An manchen Tagen rege ich mich auch furchtbar darüber auf. Muss ich Verständnis für Menschen haben, denen es an Besonnenheit fehlt, an der Bereitschaft oder auch der Fähigkeit, sich jenseits von „einfachen Lösungen“ zu orientieren? Nein! Ich habe keine Lust mehr, tolerant zu sein. Normalerweise halte ich mich an die einfache Regel „Leben und leben lassen“, aber bei Dummheit in der Krise hört der Spaß auf. Neulich habe ich eine Mutter im Fernsehen bestaunt, die sich gegen die Tests bei Schulkindern aufgelehnt hat. Ihre Begründung: „Ich teste doch kein gesundes Kind!“ Dabei war ihr die Wut anzuhören. Hat sie wirklich nicht verstanden, wozu Tests da sind? Was soll die aufgeheizte Stimmung? Wir lösen ein Problem nicht, indem wir es ignorieren. Die Pandemie halten wir damit nicht auf.
Warum ist das so schwer zu begreifen? Weil wir das Virus nicht sehen können? Aber wir sehen doch die Folgen. Menschen sterben. Über 80.000 mittlerweile, das entspricht fast der Einwohnerzahl meiner Heimatstadt Remscheid. Menschen leiden an den Folgen der Erkrankung, werden vielleicht nie mehr richtig gesund. Und nicht „nur“ die Alten. Warum ziehen wir für eine überschaubare Zeit mal nicht alle an einem Strang statt das Tau in verschiedene Richtungen zu zerren und immer wieder zu zerreißen? Wir brauchen keine Querdenker, die in Wirklichkeit Quertreiber sind, wir brauchen keine Lobbyisten, wir brauchen keine Zynisten und keine unqualifizierten YouTuber, die anderen irgendwelchen Quatsch in die Hirne blasen.
Mal fehlt Sinn, mal fehlt Mut
Natürlich machen auch Ralf und ich uns Gedanken über den politischen Umgang mit der Pandemie. Wir wittern Wahlkampf und finden logische Brüche. Wir sehen, dass es auch sinnlose Maßnahmen gibt, dass es an Mut fehlt, wirtschaftlichen Größen auf die Füße zu treten, dass nicht alle wissenschaftlichen Bereiche gleich viel Gewicht haben. Warum zum Beispiel hört man vergleichsweise wenig auf Aerosolforscher und verhindert vielerorts Aktivitäten in Außenbereichen, während Produktionshallen, öffentliche Verkehrsmittel und Büros noch immer von zu vielen und teils schlecht maskierten Menschen bevölkert werden?
Aber auch wenn wir einige der Maßnahmen kritisieren und manche absurd finden (z. B. die Ausgangssperre auf der Insel Helgoland mit der Corona-Inzidenz Null), befürworten wir den Kampf gegen die Pandemie. Wir informieren uns täglich und setzen uns mit der Problematik auseinander. Wir sehen auch die gesellschaftlichen Folgen und die existenziellen Probleme, die das alles mit sich bringt. Das alles macht uns Sorgen – doch in erster Linie müssen wir die Pandemie in den Griff bekommen, auch wenn wir darüber die anderen Probleme nicht vergessen dürfen.
Kein Toter kommt wieder
Ich finde, dass wir jetzt nicht den Fehler machen dürfen, uns von der Verfolgung unseres vorrangigen Zieles ablenken zu lassen. Meine Rechte und meine Freiheit sind mir sehr wichtig, und ich möchte beides nicht verlieren. Aber ich bin bereit, mich da im Moment zurückzunehmen. Denn Menschenleben sind noch wichtiger. Kein Toter kommt wieder. Wie können wir es zulassen, dass Menschen an Corona zugrunde gehen, während wir endlos diskutieren, klagen, protestieren und – was das Allerallerschlimmste ist – andere mit Hassparolen attackieren?
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Bravo Katja!
Endlich sagt das mal jemand. Konsequent Masken, Abstand, Impfen. Das kann doch nicht so schwer sein.
Und dann besiegen wir das Virus.