In meinem Beitrag vom 11. Februar habe ich mich gefragt, warum die Corona-Inzidenzzahlen in unserem Landkreis Vorpommern-Greifswald so bemerkenswert schlecht sind. Das ist noch immer so: Auf der Homepage des NDR sind heute die Zahlen vom 13. Februar, also vom gestrigen Samstag, zu sehen. Während alle anderen Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern längst bei weit unter 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche liegen, einige sogar schon bei unter 50 und Rostock wunderbar dasteht mit 20,1, liegen wir hier bei 188,0.
Das hat zur Folge, dass hier die meisten Kinder nach den Winterferien noch immer nicht zur Schule gehen werden. Und möglicherweise bleiben auch die Friseure in unserem Landkreis nach dem 1. März weiterhin geschlossen. Es gibt schon Aufforderungen an die Nachbarkreise, darauf zu achten, dass Menschen aus unserem Kreis dann nicht dort zum Friseur gehen. Wenn das so weiter geht, sind wir bald die Geächteten, und die Nachbarn wollen nicht mehr, dass wir zu ihnen rüberfahren.
Aus der Ostsee-Zeitung vom 12. Februar. Die Highlights habe ich mit Leuchtstift markiert.
Die Ostsee-Zeitung hat sich in der Freitagsausgabe der Problematik mit unseren hohen Inzidenzwerten angenommen, und dort habe ich einige bemerkenswerte Dinge gelesen. Wenn ich ein Ranking für Fehler und Versäumnisse aufstellen würde, hätte ich einen glasklaren Favoriten: das, was dem Industrie- und Umweltlaboratorium Greifswald widerfahren ist. Eine Mitarbeiterin dieses Laboratoriums wurde im Januar positiv getestet – und es dauerte geschlagene sechs Tage, bis das Gesundheitsamt die erste Kontaktperson anrief. (Im oben abgebildeten OZ-Text steht „Mitarbeiter“. In einem weiteren Artikel zum Thema ist aber ausdrücklich von einer „Mitarbeiterin“ die Rede.)
Chef bittet selbst um Benachrichtigung der Kontaktpersonen
Und das ist noch nicht die ganze Geschichte. Die OZ hat am Freitag noch einen zweiten Bericht veröffentlicht, in dem es ausschließlich um den Fall des Industrie- und Umweltlaboratoriums geht. Der Geschäftsführer des Laboratoriums habe selbst mehrmals beim Gesundheitsamt angerufen und um die offizielle Benachrichtigung der Kontaktpersonen gebeten, heißt es dort. Eine Reaktion seitens des Amtes gab es laut OZ auf die Anrufe nicht. Erst eine E-Mail an die Amtsleiterin und den Landrat habe schließlich Bewegung in die Angelegenheit gebracht.
Da die Mitarbeiter des Laboratoriums – also die Kontaktpersonen der positiv getesteten Frau – nach deren Testergebnis sofort in Quarantäne gegangen waren, lag der Betrieb lahm. Um die Arbeit wieder aufnehmen zu dürfen, mussten die Mitarbeiter negativ getestet werden. Um aber diesen Test überhaupt machen zu können, ist laut OZ der offizielle Anruf des Gesundheitsamtes Voraussetzung.
Nun hat das Laboratorium seine Mitarbeiter selbst in Quarantäne geschickt und dem Gesundheitsamt sämtliche Kontaktdaten übergeben. Das finde ich vorbildlich. Dass es in einem so gut organisierten Fall – und auch noch trotz der bittenden Anrufe des Geschäftsführers – noch so viele Tage dauert, bis das Amt den ersten Anruf tätigt, finde ich schlichtweg peinlich.
Nicht nur peinlich, sondern gefährlich
Und nicht nur peinlich, sondern gefährlich. Was bitte passiert denn in den Fällen, in denen die Betroffenen sich nicht in Erinnerung bringen? Wie lange dauert es dann, bis das Gesundheitsamt seine Arbeit getan hat? Zwölf Tage? 14?
Sechs Tage vergingen in dem beschriebenen Fall bis zum ersten Anruf, drei weitere bis zum letzten. Eine herrlich lange Zeit, um weiterhin in Geschäfte, in Arztpraxen, zu den Eltern oder wer weiß wohin zu gehen und das Virus zu verteilen. Vor allem, wenn man selbst gar nicht weiß, dass man Kontaktperson ist. Wer trägt die Verantwortung, wenn sich in der Zeit jemand ansteckt und dann an dem Virus stirbt?
Auf die langsame Reaktion seines Gesundheitsamtes angesprochen, hat der Landkreis einen Teil der Verantwortung von sich abgewälzt. Jedenfalls steht es so in der Ostsee-Zeitung: „Der Kreis Vorpommern-Greifswald verweist hingegen darauf, dass jeder Positiv-Getestete unabhängig von der Information der Verwaltung auch selbst dazu aufgefordert sei, seine Kontakte zu informieren.“ Ich gratuliere zu dieser genialen Ausrede.
Langsamkeit von Amts wegen ist tabu
Denn wie wir alle wissen und zu Pandemie-Zeiten auch sehr gut beobachten können, ist es um Mündigkeit, Verantwortungsbewusstsein und mitunter auch die Möglichkeiten der Bürger sehr unterschiedlich bestellt. Es gibt Menschen, die alles tun, um Schaden von anderen abzuwenden. Es gibt aber auch andere, die mit der Situation überfordert sind und deshalb gar nicht angemessen reagieren können. Und dann gibt es die, die den Ernst der Lage leugnen und denen es vollkommen egal ist, ob und wie sie sich und andere gefährden. Es ist also leider keine gute Idee, sich auf die Bürger zu verlassen.
Langsamkeit von Amts wegen ist in der derzeitigen Situation tabu. Welche Ursachen dieser Verfehlung zugrunde liegen – ob nun Personalmangel, fehlende technische Ausstattung, organisatorische Probleme oder etwas anderes – weiß ich nicht. Fest steht für mich aber, dass ein solcher Missstand behoben werden muss. Und zwar sofort.
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Gestern Abend haben wir wieder ein Häppchen bekommen. Ein Häppchen Lockdown für noch mehr Tage, in denen Geschäfte, Restaurants, Sport- und private Bildungsstätten, Kosmetikstudios und viele mehr nicht öffnen dürfen.
Nicht wirklich lecker: ein Häppchen Lockdown
Wir haben das natürlich vorher gewusst, denn nichts war absehbarer, als dass der Lockdown verlängert würde. Der 14. Februar als mögliches Ende dieser Maßnahmen ist vorerst durch den 7. März ersetzt. Danach könnte es der 31. März werden. Oder Ostern. Oder der 30. April. Wer weiß das schon so genau?
Krankheit wäre eine wirtschaftliche Katastrophe
Um an dieser Stelle eventuellen Corona-Leugnern oder „besorgten Bürgern“ den Wind aus den Segeln zu nehmen: Ralf und ich zweifeln nicht an der Existenz des Virus und an der Gefahr, die davon ausgeht. Wir wollen uns auf keinen Fall mit Corona anstecken. Es wäre eine Katastrophe, wenn auch nur einer von uns schwer erkrankt oder danach mit Spätfolgen zu kämpfen hat. Ganz unabhängig von dem menschlichen Leid wäre es für uns ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Ist einer krank, muss der andere den großen Teil der Arbeit in der Segelschule allein leisten. Das ist, wenn wir wieder öffnen dürfen, kaum zu schaffen.
Wären wir beide sehr krank oder nach der Krankheit lange Zeit nicht mehr belastbar, müssten wir die Segelschule zumachen. Wir sind also sehr vorsichtig. Unsere sozialen Kontakte haben wir schon seit Wochen auf ein Minimum reduziert, treffen nur noch unsere Mütter, laden keine Freunde nach Hause ein und besuchen niemanden.
Häppchen für Häppchen – vorhersehbar wie ein Hotelfrühstück
Doch nun wieder zu den Lockdown-Häppchen. Sie erinnern irgendwie an ein langweiliges Hotelfrühstück. Man weiß immer schon vorher, was es gibt. Das gleiche Brötchen, den gleichen faden Scheibenkäse, die gleiche in Plastik verpackte Miniportion Marmelade. Nur dass das Lockdown-Häppchen nichts Süßes verspricht. Es tut eher weh, denn es erfolgt in der üblichen Manier: mit dem Holzhammer. Zack bumm den Riegel festgekloppt, die Tür bleibt zu. Egal, was sich dahinter befindet.
Einzige kleine Ausnahme: die Friseure. Die dürfen ab 1. März wieder schnippeln, färben, rasieren. Wahrscheinlich weil man den Haarschnitt noch nicht bei Amazon bestellen kann. Ralf stand heute schon mit kritischem Blick vor dem Spiegel, fuhr sich durch die Locken und sagte ein bisschen wehmütig: „Noch fast drei Wochen!“ Dabei hat er Glück. Sein Haar kringelt sich einfach und sieht noch immer gut aus. Anderen geht’s da schlechter.
Doch ich schweife ab. Entschuldigung.
Eigentlich möchte ich hier mal ein paar Fragen aufschreiben, die mir schon länger im Kopf herumgeistern. Beim Schreiben kann ich meine Gedanken immer ganz gut sortieren. Und vielleicht habt Ihr ja ähnliche Fragen oder vielleicht sogar Antworten.
Warum dürfen kleine Geschäfte in einer Kleinstadt wie Wolgast nicht öffnen?
Es gibt hier zum Beispiel ein kleines, feines Geschäft, das Stoffe, Kleidung, Kissen und viele schöne Dinge verkauft. Dort verkehren keine Menschenmassen. Mehr als zwei Kunden gleichzeitig habe ich dort selten erlebt. Man kann lüften, man kann FFP2-Masken tragen. Aber der Laden muss geschlossen bleiben.
Oder der Jeansladen in Wolgast. Auch dort herrscht üblicherweise kein Gedränge. Man hat viel Platz. Lüften und Masken siehe oben. Das Geschäft darf nicht öffnen. Im Schaufenster hängt ein Aufruf, die Kunden mögen durchhalten und ihre Einkäufe später machen. Neulich ist meine Lieblingsjeans zerrissen, und ich brauche dringend eine neue. Im Internet bestellen will ich nicht. Also Löcherhose anziehen und abwarten. Dabei glaube ich nicht, dass ich mich in diesem Jeansladen mit Corona anstecken würde.
Dann schon eher in dem Lebensmitteldiscounter, in dem ich vorgestern war. Der Kassierer trug seine Maske unter dem Kinn, die Kunden drängten sich durch die viel zu engen Gänge, ständig kam mir jemand zu nahe, mindestens ein Kunde hatte überhaupt keine Maske, aber von seiten des Geschäfts hat dort niemand eingegriffen. Aber die dürfen jeden Tag aufmachen. Verkaufen ja Essen und Klopapier. Und Hefe. Ich werde in absehbarer Zeit jedenfalls nicht mehr dorthin gehen.
Dann ist da noch unser liebenswerter Buchladen hier in Wolgast. Dort gucke ich mir die Bücher im Schaufenster an. Immerhin kann ich mir ein Buch bestellen und es dann an der Tür abholen. Der Service ist prima. Aber mal ehrlich, wenn dieses Geschäft regulär öffnen dürfte und man einfach darauf achten würde, dass nicht zu viele Menschen gleichzeitig hereinkommen und alle Masken tragen, wäre die Infektionsgefahr dort wirklich so groß? Gerade in überschaubaren kleinen Geschäften lässt sich doch vieles regulieren.
Muss man bundesweit alle Geschäfte gleich behandeln?
Sicher ist es sehr aufwändig und vielleicht auch nicht gerecht, die Lockdown-Entscheidung nach regionalen Besonderheiten und vielleicht auch je nach Beschaffenheit des Geschäfts zu variieren – aber ist es auch unmöglich?
Können wir nicht in Pandemiezeiten den Datenschutz zurückschrauben und Restaurantbesuche mit einer digitalen Registrierung ermöglichen?
Wer das nicht möchte, muss ja nicht essen gehen. Gestern Abend haben wir Markus Lanz und seinen Gästen zugehört, und da kam dieses Thema zur Sprache. Es gäbe Möglichkeiten, dass sich die Gäste beispielsweise über einen QR-Code mit dem Smartphone registrieren könnten, wenn sie das Restaurant betreten. Das hätte auch den schönen Nebeneffekt, dass dann auch niemand mehr Unsinn in die Gästeliste schreiben würde; es gäbe dann keine „Micky Maus“ mehr unter den Gästen und auch keine „Marilyn Monroe“.
Leider fehlen noch immer Studien darüber, wo sich die Menschen überhaupt infizieren und wo nicht. Und die Gesundheitsämter schaffen es nicht, Infektionswege nachzuvollziehen, wenn es zu viele Infektionen gibt. Das mag unter anderem daran liegen, dass ein Teil dieser Ämter nach wie vor eher mit Zettel, Stift und Faxgerät arbeitet als digital.
Noch immer haben zu wenig Menschen die Corona-App installiert. Und denjenigen, die sie haben, hilft sie oft auch nicht weiter, weil überhaupt nicht nachvollziehbar ist, wann positive Testergebnisse dort eingestellt und ob diese wirklich weitergereicht werden.
Müssen alle Restaurants gleich behandelt werden? Oder kann man Unterschiede machen zwischen Ballungszentren und dem flachen Land?
Ich zitiere die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff aus der gestrigen Talkrunde bei Lanz: „Ich glaube, es zweifelt keiner daran, dass ein Restaurant, wo man die Tische auseinanderstellt, wo man die üblichen Hygienemaßnahmen einhält, dass das kein besonderer Pandemietreiber ist.“ Sie habe es so verstanden, dass die Restaurants geschlossen bleiben, damit sich die Menschen nicht auf den Weg dorthin machen und sich dort treffen.
Wenn alles geschlossen ist, bleiben die Leute zuhause. Sie tummeln sich nicht in Bussen und Bahnen, sie schieben sich nicht durch die Innenstädte. Das kann ich nachvollziehen, habe da aber sofort Großstädte wie Hamburg oder Köln vor Augen – nicht eine kleine, wenig frequentierte Stadt wie Wolgast. Vor allem jetzt im Winter und vor dem Hintergrund, dass die Einreise in unser Urlaubsgebiet zurzeit gar nicht möglich ist, ist es doch so, dass die Menschen zu Fuß oder mit dem Auto ins Lokal fahren. Nicht im überfüllten Bus. Man kann Abstand halten, lüften, Luftreinigungsgeräte aufstellen.
Wäre es organisatorisch und logistisch möglich, Maßnahmen wie die Anschaffung von Raumlüftungsgeräten, Schnelltests und FFP2-Masken verstärkt zu fördern?
Dann müsste man unter dem Strich vielleicht nicht so viel Geld in die Hilfsmaßnahmen für zwangsgeschlossene Unternehmen investieren.
Würde das dazu beitragen, dass sich die Menschen nicht gegenseitig anstecken – trotz der ja offenbar explosiven Vermehrung der Virusmutationen?
Wenn ja, warum versucht man es dann nicht?
Unser Landkreis Vorpommern-Greifswald steht in Sachen Inzidenzwert schlecht da. Heute beträgt er 196,1 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. Gerade habe ich auf NDR 1 im Radio gehört, dass es bundesweit nur noch fünf Landkreise mit derart schlechten Werten gebe.
Woran liegt das? Hier in diesem riesigen Flächenkreis gibt es einzelne Pflegeheime mit einer größeren Zahl an coronapositiv getesteten Menschen. Doch das kann es kaum allein sein. Liegt es an der Grenze zu Polen und daran, dass in der Vergangenheit dort zu wenig kontrolliert wurde? Oder leben hier zu viele Menschen, die die Regeln nicht ernst nehmen und sich weit ab vom öffentlichen Geschehen zum heimlichen Feiern und Kuscheln in privaten Häusern und Wohnungen treffen? Ist unsere Kreisverwaltung zu zurückhaltend?
Die Maßnahmen, die die hiesige aktuelle Corona-Verordnung enthält, haben uns jedenfalls in Staunen versetzt. Der Landkreis hat einen neuen Zehn-Punkte-Plan aufgestellt. Unter anderem steht dort, dass es jetzt „verstärkte Kontrollen“ an der deutsch-polnischen Grenze geben soll. Wir haben eigentlich gedacht, dass das schon längst stattfindet. Genau so die Kontrolle von Alten- und Pflegeheimen. Nun sollen Mitarbeiter dieser Heime alle zwei Tage getestet werden. In Heimen, in denen schon mal Corona aufgetreten ist, sollen diese Tests täglich stattfinden. Auch darüber wundern wir uns. Gerade weil doch immer wieder Heime betroffen waren, dachten wir, dass die Mitarbeiter längst regelmäßig getestet werden.
Es gibt wohl einige Gründe, warum wir die Pandemie nicht besser in den Griff bekommen. Einer davon sind die Menschen, die die Lage nicht ernst nehmen oder verleugnen und dadurch dazu beitragen, dass sich das Virus mit seinen Mutanten leicht ausbreiten kann. Ein anderer ist die Langsamkeit so mancher Verwaltung, der Mangel an Kontrollen – und die Tatsache, dass die Pandemie an einigen Orten eher verwaltet als bekämpft wird.
Sind meine bisherigen Fragen zum Umgang mit der Situation vor diesem Hintergrund vielleicht alle unhaltbar? Dann bleibt noch eine letzte:
Sind wir immer noch zu locker? Sollten wir das ganze Land, so weit es logistisch, organisatorisch und im Bereich Daseinsvorsorge möglich ist, mal für drei Wochen nahezu komplett schließen?
Das würde immerhin den größten Teil der Kontakte ausbremsen und dem Virus neue Wirte verweigern. Und danach könnten wir mit niedrigen Inzidenzwerten besser agieren und planen. Und die alten Fehler am besten nicht noch mal machen.
Nun denn. Fragen sind da viele. Planen können wir immer noch nicht. Schlucken wir also das Lockdown-Häppchen, werfen den Holzhammer in irgendein Eisloch im Peenestrom und genießen in den nächsten Tagen erst mal den Winter. Immerhin haben Ralf und ich keine Kinder, die wir home-beschulen müssen, unsere Theoriekurse laufen über Skype, und ich habe mir Schlittschuhe bestellt. 🙂
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Ein selten schönes Winterwochenende liegt hinter uns. So richtig mit Schnee, Eis und Sonnenschein. Eine tolle Joggingrunde am Samstagmorgen, ein feiner Ausflug am Nachmittag, dazu noch viel Zeit zum Schreiben und Lesen. Winter am Wasser ist einfach wunderschön. Hier habe ich ein paar Fotos für Euch. Und wenn Ihr dann noch mögt, kommt unten drunter noch ein kleiner Text über das, was wir im Moment so tun.
Wolgast verschneit in der Morgensonne.
Die Spitzenhörnbucht friert langsam zu.
Auf meiner Joggingrunde treffe ich Familien beim Schlittenfahren – ein seltener Anblick!
Im Fischereihafen Freest
Eis und Schnee am Freester Strand.
Im September haben wir genau hier mit meiner Freundin Susanne im Sand gesessen.
Im Hafen der Holzbootwerft.
Gestern hat unser SSS-Kurs angefangen
Gestern, am Sonntagmorgen, hat unser Theoriekurs zum Sportseeschifferschein (SSS) angefangen. Leider geht es im Moment nur als Internet-Live-Kurs, da wir im Lockdown nach wie vor keinen Präsenzunterricht in der Segelschule machen dürfen. Aber immerhin, es funktioniert. Und ein ganz besonderer Kurs ist es außerdem.
Der SSS bewegt sich auf dem Niveau der Berufsschifffahrt. Für Ralf und mich ist das prima. Es gefällt uns, wenn der Stoff inhaltlich anspruchsvoll ist und auch wir als Lehrer gefordert werden. Die Kursteilnehmer sind keine Anfänger, jeder bringt seine ganz speziellen Erfahrungen mit, und man kann sich wunderbar gegenseitig austauschen.
Nur etwa 300 Leute im Jahr machen diesen Schein – das bedeutet, dass es in Deutschland mehr Sportbootschulen als potenzielle Kursteilnehmer gibt. Wir geben diesen Kurs im Durchschnitt etwa alle zwei Jahre. Jetzt werden wir die nächsten Sitzungen über Skype machen und hoffen, dass wir um Ostern herum einige Tage Präsenzunterricht halten können. Das wäre vor allem für die Navigationsübungen und die umfangreiche Kartenaufgabe super.
Noch mehr Internet-Unterricht im Februar
Im Februar stehen einige Internet-Kurse bei uns auf dem Programm: Sportbootführerschein See, Sportküstenschifferschein und Funkzeugnis. Wir freuen uns, dass sich immer mehr Menschen auf diese Art des Unterrichts einlassen. Trotzdem sind es weniger als normalerweise bei uns im Schulungsraum sitzen. Aber immerhin steht unsere Schule nicht still.
Planen geht nicht
Wir merken, dass viele Menschen in der Warteschleife stecken. Es kommen nicht mehr so viele Anmeldungen. Im häppchenweise verordneten Lockdown kann niemand richtig planen, also lassen die Leute die Dinge erst mal ruhen. Wenn sich weniger Menschen anmelden, bekommen wir auch weniger Anzahlungen, und dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wie sparsam wir in den kommenden Wochen wirtschaften beziehungsweise ob wir weitere staatliche Hilfen beantragen müssen.
Wir können nur hoffen, dass das mit den Häppchen jetzt nicht monatelang so weitergeht. Das wäre ziemlich ungünstig, denn das macht eine vernünftige Personalplanung genau so unmöglich wie andere strategische Überlegungen, zum Beispiel, ob wir alle Boote startklar machen müssen oder lieber aus Kostengründen einige an Land lassen, weil wir sie vielleicht gar nicht einsetzen können.
Wir schlemmen in der Warteschleife
Ich bin aber weit davon entfernt, unter der Situation zu leiden. Ihr findet das vielleicht erstaunlich, und manchmal wundere ich mich selber darüber, aber das ruhige Leben gefällt mir durchaus. Ralf und ich genügen uns, wir sind gern zusammen und genießen die Tage. Wir langweilen uns keine Minute, im Gegenteil. Aus der Warteschleife kommen wir im Moment ja eh nicht raus. Also machen wir wir das Beste draus.
Gestern Abend haben haben wir uns einfach mal selber gefeiert – mit einem kleinen italienischen Festessen. Es gab Avocado mit Garnelen und Oliven, Rinderbraten in Rotwein mit Polenta, und zum Nachtisch hat Ralf das weltbeste Tiramisu gemacht.
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Der Naturhafen Krummin im Winterlicht – eine fast mystische Stimmung.
Für wenige Tage war es hier bei uns an der Küste mal kälter als null Grad, und geschneit hat es auch. Ralf und ich haben einen Abstecher zum Naturhafen Krummin gemacht. Dort, wo im Sommer so viel Leben herrscht, wo unsere Segelboote liegen und wir viele schöne Stunden auf dem Wasser und auf der Hafenterrasse verbringen, herrscht im Winter eine ganz besondere Stimmung. Verlassen liegen Terrasse und Steg, auf dem Wasser bildet sich schnell eine dünne Eisschicht, und nur wenige Boote sind noch im Hafen. Ich finde es schön, wenn Ihr an dieser Stimmung teilhaben könnt. Deshalb haben wir ein paar Fotos für Euch gemacht.
Ich auf dem Steg – jetzt bloß nicht ausrutschen!
Hier liegen im Sommer unsere Segeljollen.
Blick auf die Wiek – da draußen segeln wir bald wieder.
Die Fahrwassertonnen tragen Schneemützen.
Ein einsames Segelboot.
Still verschneit ruht die Hafenterrasse.
Inzwischen sind Schnee und Eis leider wieder weggetaut. Draußen ist es grau und nass, und für die nächsten Tage sind wärmere Temperaturen und viel Wind angesagt. Wir hatten hier auch schon Winter, in denen lange alles zugefroren war, in denen sich am Ostseestrand das Eis türmte und nicht mehr zu sehen war, wo der Strand aufhört und das Meer anfängt. In denen der Schnee im Wald und auf den Feldern so hoch war, dass ich bei meiner Joggingrunde im hüfthohen Schnee stecken geblieben bin und umkehren musste.
Die ruhige Winterstimmung passt zu unserem Lebensgefühl
Die erstarrte Schönheit im Hafen, die ruhige Winterstimmung – das passt zu unserem momentanen Lebensgefühl. Wir warten auf den Frühling wie jedes Jahr, aber diesmal warten wir auch ab, wie sich die Pandemie entwickelt. An Präsenzunterricht in der Segelschule ist aufgrund der Corona-Lage ja in den kommenden Wochen nicht zu denken. Das ist erst mal noch keine Katastrophe, denn im Februar laufen bei uns nur Theoriekurse. Da wir technisch gut ausgerüstet sind, planen wir den Unterricht als Internet-Live-Kurse. Und wir freuen uns natürlich, wenn möglichst viele unserer Teilnehmer bereit sind, dabei mitzumachen.
Wir merken, dass die Menschen sich im Moment mit ihren Buchungen zurückhalten. Viele warten wohl erst mal ab, bevor sie Pläne schmieden. Wir haben zwar schon zahlreiche Anmeldungen für die Saison, aber unsere Winterkurse sind nicht so gut gebucht wie in „normalen“ Jahren. Das haben wir im November und Dezember schon gemerkt. Außerdem mussten wir wegen des Lockdowns unsere Novemberkurse absagen, haben diese dann auf den Dezember verschoben und als Internet-Live-Kurs gemacht.
Zu Jahresbeginn sind die Kosten hoch – zum Glück gibt’s die Novemberhilfe
Es gab aber auch Kunden, die nicht online lernen wollten oder konnten. Die haben ihren Kurs entweder auf dieses Jahr verschoben oder ihr Geld zurückgefordert. Also haben wir die November- und Dezemberhilfe beantragt und für die Novemberhilfe auch sehr schnell eine Abschlagszahlung angekündigt bekommen. Das ist sehr gut, denn jetzt zu Jahresbeginn fallen immer viele Kosten an: Die Liegeplätze für die Boote müssen bezahlt werden, die Versicherungen der Segelschule und der Boote werden fällig, Verbandsbeiträge ebenso, und laufende Zahlungen wie die Miete für Büro und Unterrichtsraum, Löhne und Lohnnebenkosten laufen ja ohnehin weiter.
Der Sommer wird schön – ganz bestimmt!
Im Moment ist es für Ralf und mich das Wichtigste, dass wir, unsere Familie und unsere Freunde gesund bleiben. Wir sind zuversichtlich, dass der Frühling und Sommer schön werden – und dass dann auch wieder viele Segler und Motorbootfahrer zu uns kommen. Wir hoffen, dass es mit den Impfstoffen bald besser läuft und dass es irgendwann ein Medikament gegen Covid 19 gibt, dass wir das mit den Mutationen in den Griff bekommen und nach und nach wieder zu einem normalen Leben übergehen können.
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„Schau mal. Das Christkind backt Plätzchen.“ Die Mami hält mich an der Hand, und ich schaue staunend in den Abendhimmel. Flammend rot ist er; die Wolken malen gewagte Muster, und mir ist, als hörte ich das Feuer in Christkinds Backofen knistern.
Als kleines Mädchen erlebte ich die Szene zum ersten Mal, und jedes Jahr im Dezember kam wieder der Moment, in dem meine Mutter diesen kleinen und für mich doch so wichtigen Satz sagte: „Das Christkind backt Plätzchen“. Da mochte der Tag noch so kalt sein, die Winterluft noch so scharf in die Wangen schneiden – dieser wunderschöne Himmel am späten Nachmittag, kurz bevor sich die Welt in samtenes Dunkelblau hüllte und überall die Kerzen und Lichterketten erleuchteten, ließ vor allem ein Gefühl wachsen: das von Wärme. Begleitet von Verheißung, Geborgenheit und Vorfreude.
Welch zauberhafte Zeit das war!
Was war das doch für eine zauberhafte Zeit, dieser Advent, dieses Weihnachten, dieses Geheimnisvolle überall, das wie ein unsichtbarer Schleier über den vielen warmen Lichtern lag. Es war, als würden wir alle näher zusammenrücken, indem wir demselben Ereignis entgegenfieberten. Zuhause, im Kindergarten, später in der Schule, überall war die Vorbereitung auf Weihnachten eine ganz große Sache. Wir haben gesungen und gebastelt, Plätzchen gebacken und Wunschzettel geschrieben, Geschenke eingepackt, fürs Krippenspiel geprobt und ungezählte Male die Weihnachtsgeschichte gehört.
Welch ein Zauber lag doch über dem Weihnachtsfest! Mami und ich vor dem Adventskranz.
Ich habe einen katholischen Kindergarten und eine katholische Grundschule besucht, wo natürlich der religiöse Aspekt immer eine große Rolle spielte, kindgerecht aufbereitet und schön anzuhören. Je älter ich wurde, desto mehr verlor dieser Aspekt an Bedeutung. Trotzdem blieb die Weihnachtszeit eine der wichtigsten und schönsten Zeiten im Jahr.
Kam das Christkind mit dem Bollerwagen?
Der wunderbare Zauber der Kindheit hielt sich noch lange, doch er veränderte sich mit der Zeit. Als ich klein war, wollte ich unbedingt dieses geheimnisvolle Christkind sehen, das sich am Heiligen Abend in unser Wohnzimmer schlich und Geschenke unter den Weihnachtsbaum legte. Ich stellte mir immer ein weiß gekleidetes, irgendwie geschlechtsloses Kleinkind mit lockigen braunen Haaren vor, das einen Bollerwagen voller bunter Päckchen hinter sich herzog. Doch begegnet bin ich ihm nie, denn wenn der Papa mit dem goldenen Glöckchen klingelte und ich endlich ins Zimmer durfte, war das Christkind schon weg.
Das Glöckchen hat geklingelt. Ob das Christkind noch da ist? Nein, aber dafür tolle Geschenke!
Das Glöckchen kam noch zum Einsatz, als ich längst erwachsen war und an Weihnachten nach Remscheid fuhr, um mit meinen Eltern zusammen zu feiern. Heute steht es auf der Fensterbank in unserer gemütlichen Wohnküche. Und manchmal, ganz manchmal, nehme ich es in die Hand und klingele ein bisschen.
Und wieder sitze ich bei Chris Rea singend im Auto
Die Advents- und Weihnachtszeit, das ist ein Geflecht aus Ritualen und Traditionen, aus Melodien und Düften, aus Freude auf schöne Tage mit den liebsten Menschen, aufs Schenken und Beschenktwerden. Wir brauchen doch all das, Nähe und Wärme und Liebe und Freude. Wir brauchen den Zauber. Viele Jahre ist das „Driving Home for Christmas“-Gefühl mit mir mitgefahren, wenn ich mich vor Weihnachten in Bonn, Münster oder Hamburg mit dem Auto oder mit der Bahn auf den Weg gemacht habe heim nach Remscheid, wo ich doch längst nicht mehr zuhause war. Und immer konnte ich es kaum erwarten, denn fröhliche Tage mit Freunden und Familie lagen vor mir. Wenn ich das Lied von Chris Rea im Radio höre, sitze ich sofort wieder singend im Auto, Geschenke im Kofferraum, ein paar freie Tage vor mir, und freue mir ein Loch in den Bauch.
Jedes Jahr ein Hexenhäuschen
Eine Freundin hat neulich erzählt, dass sie in der Weihnachtszeit oft daran denkt, wie es früher war. Das geht mir ganz genauso. Je mehr Jahre vergehen, desto deutlicher treten die Erinnerungen hervor. Da ist das Knusperhäuschen, das meine Oma Else jedes Jahr zu Weihnachten für mich gemacht hat. Das Hexenhäuschen von Hänsel und Gretel im Miniaturformat, ein süßes kleines Haus mit einem zuckergussverschneiten Dach, die Lebkuchenwände geschmückt mit Plätzchen und Schokolade. Dann das herrliche Gefühl, am mehlverstaubten Küchentisch Sterne und Kreise aus dem Teig zu stechen, während ein Blech nach dem anderen in den Ofen wanderte und es in der ganzen Wohnung nach Plätzchen duftete.
Ein Knusperhäuschen mit Garten – Oma Else hat sich immer so viel Mühe gegeben.
Die Zeit hat gewaltig an Tempo zugelegt – das zeigt uns der Adventskalender
Immer gehörte auch ein Adventskalender dazu, blau und mit bunten Winterszenen bedruckt. Ich weiß noch, wie unendlich lange es dauerte, bis endlich alle 24 Türchen geöffnet und der Heilige Abend da war. Das war eine Ewigkeit! Meine Mutter hat mir übrigens noch bis vor wenigen Jahren jedes Jahr einen Adventskalender geschenkt. Wenn wir uns im November nicht gesehen haben, hat sie ihn per Post geschickt. Jetzt kann sie das nicht mehr machen, aber Ralf und ich schenken uns die Kalender gegenseitig. Sie sind ein guter Indikator dafür, dass die Zeit an Tempo zugelegt hat. Und zwar gewaltig. Als ich vorgestern das 24. Türchen geöffnet habe, fühlte sich das richtig merkwürdig an. Denn ich hatte das Gefühl, dass ich das erste Türchen doch erst gestern aufgemacht habe.
Wie süßer Weißwein zu einer heiteren Erinnerung wurde
Süßer Weißwein ist auch so ein Kapitel in meinem weihnachtlichen Erinnerungsschatz. Denn ich war ein neugieriges Kind und Genüssen nicht abgeneigt. So trug es sich also zu, als ich im ersten oder zweiten Schuljahr war, dass meine Mutter im Wohnzimmer den Tisch fürs festliche Heilig-Abend-Essen deckte und mein Vater die dazugehörige Flasche Wein schon mal entkorkte. Dann gingen beide Eltern in die Küche, um noch irgend etwas vorzubereiten. Ich blieb im Wohnzimmer bei Weihnachtsbaum und Geschenken – und bei der geöffneten Flasche.
Da habe ich mir dann versuchsweise ein Gläschen eingeschenkt und probiert. Irgendwas musste ja dran sein, wenn die Erwachsenen zu besonderen Gelegenheiten gern Wein tranken. Tatsächlich fand ich ihn lecker, trank das Glas leer und schenkte mir wohl auch noch mal nach. Meine Eltern haben jahrelang von den Heiligen Abend erzählt, an dem ich sinnlos kichernd an meinem Papa gehangen habe und gar nicht mehr runter wollte von seinem Schoß. Wie es mir am nächsten Tag ging, ist nicht überliefert.
Das war unsere erste Krippe. Papa hat die Figuren aus Gips geformt und bemalt und den Stall gebaut. Das Jesuskind wurde immer erst am Heiligen Abend hineingelegt. Erst nach vielen Jahren ersetzten meine Eltern die Krippe gegen eine andere mit vielen Holzfiguren.
Am Heiligen Abend kam die Mäusepolizei
Einer der ersten Kinobesuche, an den ich mich erinnere, fand ebenfalls Weihnachten statt. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es am Heiligen Abend war, eine Vorstellung am Vormittag oder am frühen Nachmittag. Meine Eltern wollten mir wohl die Wartezeit vertreiben, und mein Vater, der Zeichentrickfilme liebte, freute sich mindestens genau so wie ich über „Bernard und Bianca – die Mäusepolizeit“. Die süßen Mäuse, der tollpatschige Albatros, die böse Medusa mit den roten Haaren – ein herrliches Vergnügen war das!
Ich sehe heute noch vor mir, wie wir von dem recht leeren Parkplatz zum Kino hinübergingen, an einem grauen, milden, schneelosen Tag. Tatsächlich gilt der Heiligabend 1977 noch immer als der mildeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das Thermometer kletterte im Bergischen Land auf 16 Grad, habe ich gerade auf einer Internetseite von Kachelmannwetter gelesen. Jedenfalls hat der Film uns Spaß gemacht, und ich mag Zeichentrickfilme genauso gern wie der Papa. Übrigens gilt das nur für die alten gezeichneten Trickfilme. Ich mag altmodisch, unverbesserlich und vielleicht auch irgendwie abgehängt sein – aber in den Animationsfilmen der neuen Zeit finde ich den Charme einfach nicht. Vielleicht ist er ja irgendwo unter der ganzen Perfektion begraben.
Das Geheimnisvolle verschwand, das Besondere blieb
Zum Ende der Kindheit hin löste sich der Schleier des Geheimnisvollen im Advent behutsam auf, doch das Besondere blieb, dieses Hinleben auf das Weihnachtsfest. Wichtig war immer das möglichst lange und ausgiebige Essen am Heiligen Abend. Oft haben wir Fondue gemacht, da konnten wir den ganzen Abend erzählen und dabei gemächlich alles aufessen. Gefreut habe ich mich auch immer auf den Besuch bei den Großeltern. Ich fand es schön, bei ihnen im Wohnzimmer zu sitzen und zu plaudern. Die Oma saß immer mir gegenüber auf dem Sofa neben dem Kachelofen. Der Opa auf seinen Sessel rechts von mir. Besonders spannend fand ich es, wenn sie von früher erzählten. Aber das ist ein anderes, ganz langes Kapitel, das ich ein andermal schreiben möchte.
Unsere Familie kennt nur eine Richtung
Ralf und ich haben keine Geschwister. Es gibt Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins, aber unsere Kernfamilien sind klein. Außerdem haben wir keine Kinder. Wir haben Kinder weder geplant noch verhindert. Wir haben einfach keine und sind deshalb nicht traurig. Ein Leben ohne nachfolgende Generationen ist anders als eines, in dem erst Kinder und dann womöglich Enkel durchs Haus toben, älter werden und einen ein Stück weit mitnehmen in ihre Kindheit und Jugendzeit. Wir sehen keine leuchtenden Kinderaugen unter dem Weihnachtsbaum, und wir müssen uns nicht mit Teenagern auseinandersetzen, die möglicherweise alles anders machen möchten als wir. Zum Glück haben wir trotzdem Kontakt zu jungen Menschen, und das freut uns. Aber unsere eigene Familie kennt nur eine Richtung: die ins Alter.
Seit Ralf und ich uns kennen, haben wir den Heiligen Abend zusammen verbracht. Das sind jetzt zwanzig Jahre. Es gab also kein „Driving Home for Chrismas“ mehr. Manchmal musste ich Weihnachten auch in der Redaktion arbeiten, so dass wir zu den Feiertagen gar nicht wegfahren konnten. Wohin hätten wir auch fahren sollen? Trennen wollten wir uns nicht. Meine Eltern lebten in Nordrhein-Westfalen, seine in Spanien.
Fröhliche Feste mit der Weihnachtsfrau – und mit Amy Winehouse
2006 sind wir dann in Salzwedel in ein 400 Jahre altes Fachwerkhaus gezogen. Dort gab es genug Zimmer, um beide Elternpaare zu beherbergen. Und ich hatte an Weihnachten frei. Da haben wir zum ersten Mal das Fest für alle zusammen ausgerichtet. Es wurden schöne und lustige Tage mit einem mehrgängigen Festessen am Heiligen Abend bei uns zuhause, mit Restaurantbesuchen, Spaziergängen, Spieleabenden und noch mehr an Vergnügungen. Irgendwann in den 90-er Jahren hatte ich bei irgendeinem Pressetermin eine Weihnachtsmütze geschenkt bekommen. Die holte ich an diesem ersten gemeinsamen Heiligen Abend aus einer Laune heraus hervor und fing an, die Weihnachtsgeschenke zu verteilen.
In den Jahren danach wollte mein Schwiegervater Fred immer die „Weihnachtsfrau“ haben. Deshalb habe ich mir immer eine andere kleine Show ausgedacht und mit besagter Mütze und allen möglichen Sprüchen Geschenke verteilt. Dazu lief übrigens jahrelang immer dieselbe CD: Back to Black von Amy Whinehouse, und zwar die Bonus-CD. Los ging’s immer mit dem Song „Cupid“. Na ja, da geht’s ja um Amors Pfeil, und mit Weihnachten hat das so gar nichts zu tun. Aber man kann super drauf tanzen und mit der Mütze wackeln 🙂
Achtung, die Weihnachtsfrau kommt!
Diese lustigen Weihnachtsfeste mit unseren vier Eltern haben uns allen Spaß gemacht. Erst in Salzwedel, dann hier in Wolgast und einmal, als Ralf und ich mitten im Umzug steckten, bei meinen Schwiegereltern in Ziemitz auf Usedom. Weite Wege hatten wir da nicht mehr, denn unsere Eltern sind ja zu uns an die Ostsee gezogen.
Unser Weihnachten ist immer kleiner geworden
Dann ließen die Kräfte der Eltern nach. Mein Schwiegervater wurde schwer krank und konnte nicht mehr teilhaben. Auch meine Eltern haben das nicht mehr geschafft. Unser Weihnachten ist immer kleiner geworden. Mittlerweile kommt am Heiligen Abend nur noch Ralfs Mutter Irmi zu uns. Unsere Väter sind nicht mehr da, und meine Mama würde, auch ohne Corona, einen ganzen Abend bei uns nicht mehr durchstehen. Immerhin durfte ich sie am 24. Dezember nach Wochen endlich wieder für eine Stunde besuchen.
Wo ist nur der alte Zauber?
In dieser Adventszeit habe ich mich oft gefragt, was aus dem alten Zauber geworden ist. Ich konnte ihn nicht mehr fühlen. Da waren viele Erinnerungen, Melancholie vor allem – aber kein Zauber mehr. Dann, in der letzten Woche vor Weihnachten, fing ich doch noch an, mich auf das Fest zu freuen. Wir hatten dann auch tatsächlich einen schönen Heiligen Abend, Ralf und Irmi und ich. Wir haben lecker Raclette gegessen und sogar Gitarre und Bass gespielt und gesungen. Und Irmi hat das alles heldenhaft ertragen 😉 Auch ohne Corona wäre unser Fest nicht größer gewesen; nur die Adventszeit hätten wir mit vielen Aktivitäten ausgefüllt. Die Weihnachtsfrau ist übrigens vor Jahren schon mit Fred gegangen.
Das wünsche ich mir
Wisst ihr, was ich mir für die Zukunft wünsche? Ein fröhliches Weihnachtsfest mit Freunden, egal, ob sie zur Familie gehören oder nicht. Mit einem endlos langen leckeren Essen, mit Musik, ein paar Geschenken, mit einem Berg an selbstgebackenen Plätzchen, mit viel Gelächter und unbedingt auch mit einer Ahnung des alten, ganz besonderen Weihnachtsgefühls.
Ein kleiner Abschied, irgendwie
Als ich vierzehn oder fünfzehn Jahre alt war, haben meine Mutter und ich uns in der Adventszeit einen schönen Tag in Wuppertal gemacht. Wir sind von Remscheid aus mit dem Zug nach Elberfeld gefahren und dort über den Weihnachtsmarkt und durch die Geschäfte geschlendert. Als wir am Nachmittag in Elberfeld auf dem Bahnsteig standen und auf den Zug nach Hause warteten, begann der Himmel zu brennen. Ich weiß noch, wie wir dort auf dem grauen Bahnhof standen und in dieses wunderbare Rot schauten, die Farbenpracht und die Schönheit im Spiel der Wolken. „Das Christkind backt Plätzchen“, sagte die Mami. Es war vielleicht das letzte Mal, dass sie mir das so sagte, als wäre ich noch immer die kleine, herumhopsende Katja mit den lustigen Zöpfen.
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