
Was seht Ihr auf diesem Bild?
Richtig. Ihr seht eine Segeljolle mit zwei Segelschülern. Das Foto stammt aus der Zeit vor Corona. Hinten stehe ich, die Segellehrerin. Was seht Ihr noch? Genau. Das Boot ist recht geräumig, der Abstand zwischen den drei Menschen an Bord ist relativ groß, er dürfte ungefähr eineinhalb Meter betragen. Gehen wir mal davon aus, dass wir nur zu zweit auf dem Boot fahren – dann sind 1,50 Meter Abstand gar kein Problem. Und noch dazu sind wir ja auf dem Wasser, der Wind weht uns um die Nase. Frischer kann die Luft nicht sein.
Ansteckungsgefahr ist auf dem Boot kleiner als im Auto
Was schließen wir also daraus? Na klar. Wenn wir mit unseren Kursteilnehmern segeln, ist die Gefahr, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, geringer als in vielen anderen Lebensbereichen. Noch dazu, wenn wir Masken und Handschuhe tragen. Ich denke gerne logisch. Denn Logik ist eindeutig. Handfest. Und nach logischen Gesichtspunkten komme ich zu dem Schluss: Das Infektionsrisiko auf einem Segelboot oder einem offenen Motorboot ist kleiner als in einem Auto.
Nun hat unsere Landesregierung am Donnerstagabend lange getagt und über weitere Corona-Lockerungen für Mecklenburg-Vorpommern befunden. Ralf und ich haben uns im Internet die anschließende Pressekonferenz angesehen. Über die Nachricht, dass die Fahrschulen ab Montag, 12. Mai, wieder öffnen dürfen, haben wir uns gefreut. Aber nur, bis wir am Freitagmorgen in den online veröffentlichten Plan der Landesregierung geschaut haben. Es handelt sich um die „Fortschreibung MV-Plan 2.0“, Stand 7. Mai 2020, 21:00 Uhr – also Donnerstagabend nach den Beratungen.
Autofahrschulen dürfen öffnen, Bootsfahrschulen nicht
In der Anlage zu diesem MV-Plan ist zu lesen, dass Autofahrschulen in der Phase 2 unter Auflagen öffnen dürfen. Mit „Phase 2“ ist der Zeitraum vom 7. bis 18. Mai gemeint. Bootsfahrschulen sind erst in Phase 3 an der Reihe. Die beginnt am 25. Mai. Das heißt im Klartext: Fahrlehrer und Fahrschüler dürfen ab kommender Woche zusammen in einer engen Blechkabine über unsere Straßen rollen. Bootsfahrlehrer und Bootsfahrschüler dürfen aber nicht gemeinsam auf einem offenen Boot über unsere weiten Wasserflächen schippern. Und die Logik? Ist die bei den ganzen Beratungen vielleicht unbemerkt unter den Tisch gefallen?
Schauen wir doch mal auf den theoretischen Teil der Ausbildung. Ich kenne natürlich nicht alle Autofahrschulen. Aber die, die ich kenne, haben recht kleine Schulungsräume. Man muss ja auch keine Seekarte ausbreiten, wenn man den Pkw-Führerschein machen möchte. Unser Unterrichtsraum ist dagegen so geräumig, dass unsere Teilnehmer auch bei anspruchsvollen Navigationsarbeiten auf einer großen Karte immer genug Platz haben. Abstand zu halten ist bei uns also auch während des Theorieunterrichts nicht schwer. Zudem können wir die Kurse kleiner machen als üblicherweise.
Eine Sache, die mir im MV-Plan nebenbei aufgefallen ist: Sowohl bei Auto- als auch bei Bootsfahrschulen wird das Gefährdungspotenzial als „mittel“ eingeschätzt, die wirtschaftlichen und sozialen Schäden aber als „hoch“. Auch hier ist die Ungleichbehandlung also nicht nachvollziehbar.
Bisher hat das niemand verstanden
Zahlreiche Kursteilnehmer haben schon angerufen oder gemailt. Sie hätten gehört, die Fahrschulen machen nächste Woche wieder auf. Dann findet der Kurs doch statt? Ob sie noch einen Platz bekommen können? Jedes Mal erkläre ich, dass die Öffnung leider nur für die Autofahrschulen gilt. Und niemand hat das bisher verstanden.
Ich rege mich über Ungerechtigkeit auf. Und zwar so sehr, dass ich dann sofort etwas tun muss. Am besten mit jemandem reden und die Sache klären. Also habe ich gleich gestern Morgen beim Bürgertelefon der Landesregierung angerufen. Und tatsächlich bekam ich eine sehr kompetente und freundliche Mitarbeiterin ans Telefon. Die sagte mir, die Verordnung, auf der die oben zitierte Anlage beruht, gelte bis zum 10. Mai. Am Wochenende werde die neue Verordnung geschrieben und der MV-Plan dann aktualisiert.
Vielleicht ändert sich doch noch was
Es kann also sein, dass sich noch etwas ändert. Auch der Verband Deutscher Sportbootschulen, dem wir angehören, ist am Freitag noch aktiv geworden und hat in einem Schreiben ans Wirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern darum gebeten, auch den Sportbootschulen die Ausbildung wieder zu erlauben. In anderen Bundesländern ist das bereits geschehen. Es ist beinahe schon eine Farce, dass ausgerechnet in einem Bundesland an der Ostsee, in dem Wassersport eine vergleichsweise große Rolle spielt, der Segel- und Motorbootunterricht länger verboten wird als die Fahrstunden im Auto.
Warum unlogische Maßnahmen ernst nehmen?
Wer die bisherigen Beiträge in meinem Blog gelesen hat, weiß, dass ich nicht zu den Menschen gehöre, die gern meckern und ihre Unzufriedenheit ins Internet hinausschreien. Im Gegenteil. Mein Mann Ralf und ich sind bisher positiv mit der Krise umgegangen und haben das Beste daraus gemacht. Wir wollen weder uns selbst noch andere anstecken und sind bereit, unseren Unterricht der Situation anzupassen und Auflagen zu erfüllen, die der Sicherheit unserer Teilnehmer dienen.
Wozu wir aber nicht bereit sind, ist, uns einfach wegzuducken, wenn uns die Landesregierung ohne nachvollziehbaren Grund unsere Arbeit verbietet. Die Corona-Maßnahmen sind in Ordnung, solange sie dem Infektionsschutz dienen und solange sie sich mit logischen Argumenten begründen lassen. Wenn die Maßnahmen aber diese Voraussetzungen nicht erfüllen, warum sollen wir sie dann ernst nehmen? Was unterscheidet uns von der Autofahrschule, außer dass das Infektionsrisiko bei uns kleiner ist?
Wir können weder Lehrer noch Boote aus dem Hut zaubern
Unsere nächsten Kurse für die Sportbootführerscheine See und Binnen sollen am 16. Mai beginnen. Vom 18. bis 22. Mai haben wir einen Segelkurs geplant. Die Kurse sind gut gebucht. Auch einige Teilnehmer, die im März und April nicht kommen durften, haben Interesse an den Mai-Kursen. Am Donnerstag, 19. Mai, ist Feiertag. Die Kurswoche kommt unseren Teilnehmern wegen des Brückentags entgegen, und sie haben extra deswegen Urlaub genommen. Es handelt sich ausnahmslos um Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern. Diejenigen aus anderen Bundesländern haben ohnehin schon wegen des Einreiseverbots auf spätere Termine verschoben.
Nur können aber nicht alle unbegrenzt ihre Kurse nach hinten schieben. Zum einen bekommen sie dann vielleicht keinen Urlaub mehr. Zum anderen können wir im Sommer auch nicht plötzlich zehn Boote dazukaufen und noch ein paar Lehrer aus dem Hut zaubern, die dann mit allen Teilnehmern Einzelunterricht machen, weil man vielleicht nur zu zweit aufs Boot darf.
Infektionsschutz ja – aber kein willkürliches Ausbremsen von Branchen
In den vergangenen Tagen ist mir aufgefallen, dass bei vielen Menschen Unruhe und Frust größer werden. Vor allem dann, wenn Lasten ungleich verteilt und Verbote grundlos aufrechterhalten werden. Es fällt immer mehr auf, dass diejenigen, hinter denen große Verbände oder eine umtriebige Lobby stehen, mehr bekommen, während die anderen hinten in der Schlange warten müssen oder einfach vergessen werden. So hat zum Beispiel der Hotel- und Gaststättenverband für seine Mitglieder laut und lange ins Horn geblasen. Die Restaurants in Mecklenburg-Vorpommern dürfen ab dem heutigen Samstag wieder öffnen, und auch Ralf und ich freuen uns, dass wir jetzt mal wieder essen oder ein Bier trinken gehen können.
Nun gibt es weit weniger Segelschulen als Gasthäuser. Uns hört man nicht so schnell zu. Wir sind im großen Ganzen zu unbedeutend. Das ist aber nicht in Ordnung. Unsere Landesregierung beginnt, das Vertrauen zu verspielen, das sie sich bisher in der Krise erarbeitet hat. In der Corona-Krise geht es um Infektionsschutz und nicht um das willkürliche Ausbremsen einzelner Branchen. Auch wenn das nicht aus böser Absicht, sondern womöglich eher aus Versehen passiert.
Na ja, wir warten mal ab, wie die Verordnung aussieht, die am Wochenende geschrieben wird. Am Montag schauen wir uns den MV-Plan dann noch mal an.