Corona-Blüten

Die Corona-Krise treibt zuweilen seltsame Blüten. Das wird jetzt, wo es immer mehr um Lockerungen geht, besonders deutlich. Manchmal würde ich am liebsten laut lachen. Aber der Ernst der Lage lässt mir das Lachen dann doch eher im Hals stecken bleiben.

Sieben Wochen Erfahrung

Mittlerweile haben wir sieben Wochen Erfahrung darin, mit der Corona-Krise zu leben. Wir erinnern uns: Am 16. März haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder sich für weitgehende Einschränkungen des öffentlichen Lebens entschieden: Kein Kino, kein Barbesuch und keine Gottesdienste mehr. Fitnessstudios und andere Freizeiteinrichtungen mussten schließen. Wie alle anderen Bildungseinrichtungen darf auch unsere Segelschule seitdem nur noch Online-Unterricht anbieten.

Eine Steigerung gab es dann noch mal am 22. März. Seitdem gelten Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperre. Auf dieser Grundlage hat jedes Bundesland in Nuancen eigene Regelungen beschlossen. Deutschlands Föderalismus wird im Ausland übrigens als sehr positiv wahrgenommen: Man ist dadurch hier in der Lage, Maßnahmen besonders schnell umzusetzen und auf regionale Besonderheiten einzugehen. Einen interessanten Artikel dazu hat das Handelsblatt kürzlich veröffentlicht.

Auf dem Grat zwischen Sinn und Unsinn

Nun steht also immer mehr die Frage im Mittelpunkt, wie und in welcher Reihenfolge man die Einschränkungen wieder lockern kann. Denn anders als in vielen anderen Ländern gibt es in Deutschland relativ wenig Neuinfektionen und im Verhältnis zur Zahl der gemeldeten Erkrankten auch wenig Todesfälle. Das soll auch so bleiben.

Deshalb sind derzeit in etlichen Gremien und Behörden Menschen damit beschäftigt, Möglichkeiten zu ersinnen, wie man – auch wenn nach und nach Lokale, Sport- und Bildungsstätten, Friseure, Häfen, Campingplätze, Hotels und andere Einrichtungen wieder öffnen – weiterhin dafür sorgen kann, dass sich die Menschen nicht anstecken. Sicher kommt durchaus Sinnvolles dabei heraus. Aber manchmal auch haarsträubender Unsinn.

Mal vorweggenommen: Die Leute, die die Sicherheitsregeln ausarbeiten, meinen es nicht böse. Im Gegenteil: Sie wollen, dass die Menschen in unserem Land sich möglichst nicht mit dem Virus anstecken. Niemandem ist an Schikane gelegen. Doch es schadet sicher nicht, wenn jemand, der einen Themenbereich bearbeitet, auch genügend Sachkenntnis darüber mitbringt.

Leider ernst gemeint: die lustigen Vorschläge vom Städteverband Schleswig-Holstein

Ein Vorgang, der unsere Branche betrifft, ist mir besonders aufgefallen. Da hat eine Dezernentin des Städteverbands Schleswig-Holstein ein „Phasenmodell und Konzepte zur (Wieder-)Öffnung der Sportboothäfen in Schleswig-Holstein“ erarbeitet und dieses an das entsprechende Landesministerium weitergeleitet. Stolze sechs DIN-A4-Seiten lang ist das Werk, eng bedruckt und üppig ausgestattet mit Paragraphen und amtsdeutschen Formulierungen.

Inhaltlich ist es eine wunderbare Persiflage auf die Art überkorrekter Instanzen, unsere Bevölkerung mit Auflagen zu versorgen. Wer das liest und sich mit Häfen und dem Segelsport auskennt, hätte demnach viel zu lachen. Es gibt nur ein Problem: Die Dame des Städteverbands meint das alles ernst.

Das „Phasenmodell“ aus Schleswig-Holstein schlägt zum Beispiel zum Saisonauftakt folgendes vor:
1. Alle Boote kommen ins Wasser.
2. Erst danach werden auf allen Segelbooten die Masten gesetzt.
3. Erst wenn alle Masten stehen, darf gesegelt werden.
Nun haben Sportboothäfen oft nur einen Kran. Normalerweise läuft das Ganze so ab: Das Segelboot wird an den Kran gehängt und ins Wasser gelassen. Dann kommt der Mast an denselben Kran. Der Kranführer manövriert den Mast an die richtige Stelle über das Boot, und dort wird er dann in den Mastfuß gesetzt und mit Drahtseilen zu den Seiten hin, nach vorn und nach hinten befestigt. Diese Drahtseile heißen „Wanten“ und „Stage“. Danach wird das Boot an seinen Liegeplatz gebracht, und das nächste Boot kann gekrant werden.

Fröhliches Masten-Aufstell-Ballett

So ein Mast kann locker zwischen 100 und 200 Kilo wiegen und zehn bis 20 Meter hoch sein, manchmal sogar mehr. Es kommt auf die Größe des Bootes und das Material an, aus dem der Mast besteht. Die meisten Masten sind also viel zu schwer und zu lang, um sie zu den Liegeplätzen zu tragen und dort aufzustellen. Was hat sich die Mitarbeiterin dabei gedacht? Ein fröhliches Masten-Aufstell-Ballett? Alle Boote liegen brav nebeneinander an ihren Plätzen, und dann schreit einer: „Die Masten hoooooooch!“, und alle heben synchron ihre Masten an?

Aber auch die reale Umsetzung dieses Phasenvorschlags wäre vollkommen absurd. Ich stelle mir das bildlich vor: Ein Boot nach dem anderen wird gekrant und zum Liegeplatz gebracht, während alle Masten irgendwo an Land herumliegen. Wenn dann alle Boote im Wasser sind, fährt man eines nach dem anderen wieder zum Kranplatz zurück, findet hoffentlich den richtigen Mast, stellt ihn mit Hilfe des Krans und motort erneut zum Liegeplatz.

Das alles dauert viel länger als sonst. Das Team im Hafen muss länger arbeiten, die Eigner, die warten, bis ihr Boot fertig ist, stehen länger dort herum, insgesamt kommen sich die Menschen also längere Zeit näher. Und auch derjenige, dessen Boot schon fertig ist, darf ja noch nicht segeln, so lange nicht alle anderen Boote auch fertig sind. Das steht ausdrücklich im Konzept: Es kann noch nicht gesegelt werden!

Segeln nach Kalendertagen

Richtig lustig wird es in dem Vorschlag der Dezernentin in Phase 3: Segeln. Ja, aber bitte nicht alle gleichzeitig! Ihre Idee: An geraden Kalendertagen sollen diejenigen mit den geraden Liegeplatznummern segeln dürfen, an ungeraden die mit den ungeraden Nummern.

Ich weiß nicht, welche Ängste die Verfasserin dieses Werks umgetrieben haben. Wo soll man denn mehr Abstand zu anderen halten als auf dem Wasser? Dort muss man sich allenfalls um den Abstand auf dem eigenen Boot kümmern, falls man mit jemandem an Bord ist, der nicht im selben Haushalt wohnt. Die Leute auf den anderen Booten sind weit weg; es gibt praktisch keine Berührungspunkte.

Und auch im Hafen sind die Menschen normalerweise auf ihren Booten. Sie liegen nicht wie Ölsardinen auf den Stegen rum. Es gibt normalerweise keine großen Menschenansammlungen. Wo auch, wenn die Hafenkneipe geschlossen ist? Aufpassen muss man natürlich bei den sanitären Einrichtungen. Aber sonst?

Die Sache ist vom Tisch, hurra!

Solche Blüten können also austreiben, wenn Leute mit einem Thema betraut werden, mit dem sie sich gar nicht oder kaum auskennen. Sicher hat die betreffende Dezernentin viele Stunden an ihrem Phasenmodell gearbeitet. Es enthält noch mehr erstaunliche Ideen, aber die beiden Beispiele genügen ja vollkommen. Zum Glück hat das Land Schleswig-Holstein diese Beispiele nicht in seinen Beschluss zum weiteren Vorgehen in den Sportboothäfen übernommen. Die Sache ist also inzwischen vom Tisch.

Möglichst wenig falsch machen

Unkenntnis des betroffenen Bereiches kann also ein Grund für problematische, für manche Branchen existenzgefährdende Vorschläge sein. Ein anderer Grund, warum geforderte Maßnahmen übertrieben oder in Einzelfällen fast schon absurd erscheinen, ist, dass die Entscheidungsträger möglichst wenig falsch machen möchten.

So gibt es zum Beispiel in unserer Branche Überlegungen der Prüfungsausschüsse, wie die Prüfungen für die amtlichen Sportbootführerscheine ohne Gefahr für die Gesundheit ablaufen könnten. Dabei dreht sich vieles um Abstand, Desinfektion sowie Mund- und Nasenschutz, und es ist vollkommen nachvollziehbar und erscheint mir sinnvoll.

An einer Stelle habe ich sogar etwas von Schutzvisiren verlauten hören. Hier musste ich dann doch mal schlucken. Denn diese würden die Verständigung an Bord erschweren, weil man dann unter Umständen nicht mehr verstehen kann, was der andere bei Wind und Wetter unter seinem Visir ruft. Bei Regen könnte man dann wohl auch nichts mehr sehen. Man sollte berücksichtigen, dass der Bootssport sehr oft draußen stattfindet und nicht in einer engen Kajüte. 🙂

Ein Amtsträger, der zu viel erlaubt, läuft womöglich Gefahr, verklagt zu werden, wenn sich aufgrund dieser Erlaubnis nachweislich Menschen mit dem Covid-19-Virus infizieren. Da bleibt man also lieber etwas zu vorsichtig. Auch das ist absolut nachvollziehbar.

Das Ganze ist ein Lernprozess

Wir dürfen eines nicht vergessen: Die Situation ist für uns alle immer noch neu. Wir sehen an den „Corona-Blüten“, dass wir noch keine Erfahrung damit haben. Die sieben Wochen sind allenfalls der Einstieg in ein weitgehend unbekanntes Problem. Es gibt eben keine Fallbeispiele aus früheren Pandemien, an denen wir uns entlanghangeln können. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass immer wieder Fehler passieren, falsche Entscheidungen getroffen und auch mal sinnlose Vorschläge gemacht werden können. Das Ganze ist für uns alle ein Lernprozess. Wichtig ist, dass wir nachbessern und korrigieren, wenn wir einen solchen Fehler bemerkt haben.

Verschwörungstheorien – nichts als klebriger Flüssigschleim

Eines liegt mir besonders am Herzen: die Verschwörungstheorien, die sich wie klebriger Flüssigschleim durchs Internet wälzen und für die Menschen tatsächlich in so genannten „Hygienedemonstrationen“ auf die Straße gehen. Sie gelangen überall hin und sind kaum noch wegzukriegen. Und dabei sind sie geballter Unsinn. Unser Staat benutzt nicht ein fiktives Corona-Virus als Ablenkung, um die Bevölkerung zu versklaven und eine Dikatur zu errichten. Bill Gates ist nicht der Urheber der Pandemie. Der Mobilfunkstandard G5 ist nicht schuld daran. Corona ist kein Plan, um eine Weltregierung durchzusetzen.

Eigentlich sind derartige Behauptungen so lächerlich, dass es weh tut, doch wir dürfen sie trotzdem nicht mit einer verächtlichen Handbewegung einfach beiseite wischen. Denn leider gibt es Menschen, die daran tatsächlich glauben. Einen Beitrag dazu gab es jetzt im Deutschlandfunk. Bitte versucht, so gut wie möglich mit Argumenten dagegenzuhalten, wenn Euch in Eurer Umgebung jemand auffällt, der solchen Theorien anhängt.

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Ich hab’s getan!

Eigentlich wäre ich gestern beim 44. Leipzig-Marathon auf der Halbmarathonstrecke an den Start gegangen. Als im Februar mein Papa gestorben ist, ist mein Trainingsplan erst mal zusammengekracht, und dann kam auch schon Corona. Trotzdem. Ich habe zwar nicht mehr für die lange Strecke trainiert, bin aber zwei bis drei Mal in der Woche gelaufen.

Kein T-Shirt ohne Lauf

Nun kam vorige Woche das von mir bestellte T-Shirt aus Leipzig an. Und dazu das Angebot, den Lauf „virtuell“ zu machen und das Ergebnis dann in Leipzig zu posten. Was soll ich sagen? Kein T-Shirt ohne Lauf! Also bin ich heute die 21 Kilometer gelaufen. Nicht in Leipzig, sondern hier. Und seeeeeeeehr langsam.

Von Wolgast ging’s über Krummin und Mölschow nach Trassenheide, dann noch ein kleines Stück am wunderschönen Ostseestrand lang und bei Vogelgezwitscher durch den Küstenwald. Geschafft hatte ich die Distanz dann zwischen Mölschow und Krummin an der B111. Dort hat Ralf mich abgeholt und gleich mein Notebook mit der virtuellen Startnummer mitgebracht – fürs Zielfoto. Yeah! 🙂

Mit zweieinhalb Stunden habe ich mir viel Zeit gelassen und kam deshalb entspannt an.
Ich bin niemals sehr schnell, meine beste Halbmarathonzeit war mal
beim Rügenbrückenlauf in Stralsund zwei Stunden, acht Minuten.
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Fröhlich und melancholisch: Unser Ausflug auf die Krumminer Wiek

Der 25. April ist unser Kennenlern-Tag. Also der Tag, an dem Ralf und ich uns zum ersten Mal begegnet sind. Das war in der allerersten Theoriestunde zum Sportbootführerschein Binnen. Wir haben dann zusammen segeln gelernt und sind gemeinsam immer weitergesegelt.

Genau 20 Jahre ist das jetzt her. Deshalb haben wir uns sehr über das tolle Wetter gefreut und sind mit der „Kleinen Brise“ auf die Krumminer Wiek hinausgesegelt. Neben diesem schönen Anlass gab es auch einen melancholischen. Mehr dazu seht Ihr in unserem kurzen Video.

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Ein Luftschiff für Euch

Mal wieder was Nettes inmitten all der Corona-Probleme: Wir bereiten uns langsam weiter auf die Saison vor und haben das zweite Segelboot ins Wasser gebracht. Es ist unsere Ausbildungsjolle „Bora“. Das kleine Video ist für alle, die sich auf eine doch noch irgendwie schöne Zeit im Sommer freuen. 🙂

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Was ist richtig, was ist falsch?

Maskiert in die Zukunft: So gehen Ralf und ich vielleicht bald mit Euch segeln.

Wir schauen wieder für ungefähr zwei Wochen in die Zukunft und warten auf einen neuen „Tag der Entscheidung“. So hatten die Medien den 15. April getauft, an dem Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer über mögliche Lockerungen der Corona-Einschränkungen beraten hat.

Für uns bedeuten diese Lockerungen: Wir dürfen ab Montag unser Büro wieder öffnen und dort Bücher, Seekarten und Navigationsbestecke verkaufen. Kunden beraten dürfen wir dann wohl auch wieder – natürlich immer mit dem nötigen Abstand. Wir werden kein Problem mit dem großen Andrang haben. Wer zu uns kommt, möchte einen Sportbootführerschein machen oder segeln lernen oder einen Gutschein kaufen. Das sind auch in normalen Zeiten keine Menschenmassen. Und jetzt, wo alle in Wartestellung verharren, werden es wahrscheinlich noch weniger sein.

Mehr ändert sich für uns zunächst nicht. Unterricht in der Segelschule ist noch nicht wieder erlaubt. Immerhin dürfen wir selber mit unserer „Kleinen Brise“ aufs Wasser und dann wieder in den Heimathafen zurückkehren. Aber eben ohne Schüler.

Warten auf den 4. Mai

Jetzt warten wir auf den 4. Mai, denn vor diesem Tag wird es keine neuen Lockerungen geben. Dieses Warten war auch eines der Themen in unserer Online-Konferenz mit anderen Segelschulinhabern am Mittwochmorgen: Wir haben im Moment keine andere Möglichkeit, als unsere Kursteilnehmer immer wieder auf die nächsten ein, zwei Wochen zu vertrösten.

Die Kurse Ende April haben wir abgesagt, doch was wird im Mai? Und was ist im Sommer? Die Menschen möchten planen, der eine mehr, der andere weniger. Die ersten Nachfragen, ob der Segelkurs Mitte Mai stattfindet, sind schon gekommen. Eine befriedigende Auskunft konnten wir niemandem geben. Aber wir bieten allen an, kostenfrei auf einen späteren Termin umzubuchen.

Segeltörn mit sechs Leuten – ist das ethisch vertretbar?

Wir haben für die erste Maihälfte auch zwei Ausbildungstörns für den Sportküstenschifferschein im Programm. Dort segeln in der Regel fünf Teilnehmer mit dem Skipper eine Woche auf einer etwa zwölf Meter langen Yacht auf der Ostsee. Den ersten Törn haben wir abgesagt, denn der hätte vor dem 4. Mai begonnen. Die Teilnehmer hätten ohnehin nicht anreisen dürfen, denn die Einreise nach Mecklenburg-Vorpommern aus touristischen Gründen ist nach wie vor verboten.

Jetzt hoffen die Teilnehmer auf den zweiten Törn. Der würde am 9. Mai beginnen, und ausgebucht ist er auch. Doch auf so einem Segelboot geht es eng zu. Man teilt sich die Koje – also den nicht sehr großen Schlafraum – mit einem anderen Teilnehmer. Oft mit jemandem, den man vorher nicht kannte. Beim Essen im Salon eineinhalb Meter Abstand zu halten, ist nicht möglich. Ständiges Händewaschen beim Segeln ist eine schöne Theorie, die sicher nicht in die Tat umgesetzt werden kann.

Selbst wenn also unser Bundesland die Einreise nach dem 4. Mai wieder ermöglichen würde, selbst wenn wir dann in der Segelschule wieder unterrichten dürfen – wäre es ethisch vertretbar, diesen Törn dann stattfinden zu lassen? Wir haben ja eine Verantwortung anderen Menschen gegenüber. Wenn auf dem Boot einer Corona-positiv ist, sind es die anderen danach wahrscheinlich auch. Wir wollen aber nicht dazu beitragen, dass sich dieses Virus weiter verbreitet.

Experiment Schweden

Mir ist bewusst, dass sich Wissenschaftler und Mediziner über die Sinnhaftigkeit der massiven Corona-Einschränkungen nicht in allem einig sind. Auffällig ist aber auch, dass bei uns die Sterberate sehr viel geringer ist als in Schweden, wo es wesentlich weniger Einschränkungen gibt. Die problematischste Region dort ist Stockholm. In Schweden protestiert mittlerweile eine Gruppe von Wissenschaftlern gegen den lockeren Umgang mit der Pandemie und verlangt eine Änderung der Strategie. Ob Schweden richtig liegt oder das Experiment dort böse scheitert, werden wir erst in fernerer Zukunft wissen.

Ich denke, dass wir besser etwas zu vorsichtig als zu leichtsinnig sein sollten. Leben und Gesundheit sind in meinem Weltbild immer noch wichtiger als Wirtschaft. Natürlich ist es schlimm, wenn die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht. Wir sind mit unserer Segelschule ja sehr unmittelbar von den Einschränkungen betroffen. Aber dürfen wir deshalb das Leben von Menschen gefährden? Wenn wir jetzt viele Einschränkungen fallen lassen und sich dann mehr Menschen infizieren und schlimm erkranken, als unser Gesundheitssystem verkraftet, was dann?

Dass die Pandemie bei uns so langsam voranschreitet und vergleichsweise wenige Menschen mit einer Corona-Infektion sterben, wiegt uns scheinbar in Sicherheit. Aber eben scheinbar. Diese Sicherheit gibt es nicht. Das Virus ist und bleibt erst einmal unter uns.

Hallo? Mal nachgedacht?

Und dann dieses immer wieder vorgebetete Argument einiger Mitbürger, es hätten doch nur Alte und Menschen mit Vorerkrankungen schwere Krankheitsverläufe. Das ist dann also nicht so schlimm, oder was? Hallo? Mal nachgedacht, was das bedeutet? Wie viele Menschen haben denn Vorerkrankungen? Diabetes, Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Krebserkrankungen, COPD und was sonst noch alles dazugehört. Und „alte“ Menschen, damit sind die ab 60 gemeint.

Haben die alle etwa kein Recht auf Leben? Ist es nicht so schlimm, wenn der 40-jährige Diabetiker schwer an Corona erkrankt und vielleicht gar nicht oder mit Spätfolgen überlebt? Oder der Diabetiker Mitte 50, der noch 30 Jahre Leben vor sich hat? Der junge Mann mit dem Herzfehler, der bislang dank seiner Medikamente und gesunder Lebensführung gut damit zurechtgekommen ist? Bei diesen Risikogruppen reden wir von ungefähr der Hälfte der Bevölkerung!

Und ein Mensch, der 80 Jahre oder älter ist – ist der nichts mehr wert, kann man den ruhig sterben lassen? Wenn Teenager so denken, kann ich das noch mit Dummheit oder Unüberlegtheit entschuldigen. Aber irgendwann sollte jeder Mensch dieses Stadium überwunden haben.

Ich habe erst Mitte Februar meinen Vater verloren, und ja, er war fast 80 Jahre alt. Er hat sein Leben lang hart gearbeitet und viel für andere Menschen getan, er war liebevoll und hatte ein gutes Herz. Sein Tod tut mir weh. Wenn er jetzt an Corona gestorben wäre, hätte ich da sagen sollen: „Nicht so schlimm, der war ja alt?“

Meine Mutter ist im Pflegeheim und hat, wie so viele alte Menschen, einige Vorerkrankungen, aber insgesamt geht es ihr gesundheitlich im Moment recht gut. Ich möchte, dass das auch so bleibt. Ich bin jeden Tag glücklich, an dem in ihrem Pflegeheim die Krankheit nicht ausbricht. Wir sollten also aufpassen und nicht zu schnell das dumme Zeug nachplappern, das wir von anderen hören.

Wirtschaft und Leben sind keine Gegner

Wie können wir also sicherstellen, dass wir möglichst viel richtig machen und möglichst wenig falsch? Dass wir unsere stillgelegten Unternehmen wieder in Gang bringen, ohne dass wir dabei andere Menschen gefährden? Ganz ohne Fehler, ohne Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten geht es wohl nicht. Auch politische Entscheidungsträger sind am Ende nur Menschen, die nicht alles gleichzeitig im Blick haben können. Aber ich finde, dass sie hier in unserem Land gerade einen ziemlich guten Job machen.

Vor allem sollten wir eines nicht machen: Wirtschaft und Leben als Gegner im Kampf um die richtige Strategie betrachten. Die Kunst besteht darin, beides zu berücksichtigen. Dazu gehört, Maßnahmen auch immer wieder zu hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren. Die Menschen bestmöglich zu schützen und Infektionsketten nachvollziehbar zu machen. Den Alltag und die Arbeit vielleicht noch lange Zeit anders zu gestalten als vorher.

Mit dem Handy auf der Kanonenkugel

In diesem Zusammenhang jetzt politisch die richtigen Entscheidungen zu treffen, stelle ich mir ungefähr so vor: Man sitzt mit dem Handy am Ohr auf einer fliegenden Kanonenkugel. Die Kugel rast voran, und während man sich bemüht, das Gleichgewicht zu halten, stellt man Berechnungen an: Wo mag die Reise hingehen, wo mag die Kugel einschlagen? Und gleichzeitig versucht man schon, mit möglichst sinnvollen Anweisungen das voraussichtliche Ziel räumen zu lassen.
Baron Münchhausen hatte es leichter.

In unserer Segelschule können wir mit Einschränkungen leben, wenn wir denn irgendwann in den kommenden Wochen wieder arbeiten dürfen. Wir können Masken tragen, natürlich. Unsere Kurse verkleinern und dafür mehr Schulungstermine anbieten, damit unsere Teilnehmer nicht zu dicht aufeinandersitzen. Auf Ausbildungstörns im Frühjahr verzichten und diese zunächst auf den Herbst verschieben. All das ist möglich.
Aber man muss uns auch arbeiten lassen.

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