Warteschleife

Mein Blog hat in der Warteschleife gesteckt. Monatelang. Im vorigen Winter hatte ich eine Handvoll Ideen zu Themen, über die ich schreiben wollte. Doch dann ist sechs Tage vor Heiligabend meine Mutter gestorben. Sie hatte Krebs, und es war nach allen Behandlungen und Untersuchungen klar, dass es keine Chance auf Heilung gab.

Doch auch wenn man solche Tatsachen mit Logik und Sachlichkeit begreifen kann, hilft es doch nicht, wenn dann die Zeit gekommen ist. Es war ein langsames Sterben, und trotz der guten Palliativversorgung hatte die Mama zwischendurch schlimme Schmerzen. Ich habe bei ihr gesessen, ihr Märchen vorgelesen, wie sie einst mir, die alten Lieder gesungen, Gitarre gespielt, Erinnerungen aufleben lassen. Es tat weh.

Mamas Bruder kam aus dem Emsland angefahren. Wir nahmen Abschied. Danach, in der Nacht, gingen wir ans Meer. Das Pflegeheim, in dem meine Mutter wohnte, liegt nur wenige hundert Meter vom Strand entfernt. Schwarze Wolken zogen über den dunklen Himmel. Schaumkronen schimmerten im Mondlicht. Ein kalter Wind wehte.

In jedem Meer der Welt

Mein Vater war da. Er ist überall, in jedem Meer der Welt. Das kann man spüren, wenn man einen Menschen in der See bestattet hat. Der Papa ist knapp zwei Jahre früher gestorben, und seitdem fehlt er. Jetzt fehlen beide. Da bleibt ein großes Glück, diese liebevollen Eltern gehabt zu haben, das warme Elternhaus, so viele tolle Chancen und Möglichkeiten für mein Leben. Und es bleibt als neuer Grundton in meinem Leben die Traurigkeit über den Verlust dieser beiden Menschen.

Damals habe ich meine Blog-Themen in die Warteschleife gelegt. Warteschleifen sind geduldig, sie bewahren klaglos das, was man reinstopft. Wenn es sein muss, jahrelang. Statt dessen habe ich die Trauerrede für die Mama geschrieben. Meine Mutter hatte vor Jahren, als wir gemütlich bei meinen Eltern im Wohnzimmer saßen, gesagt, sie wolle einst im Wald begraben werden. Diesen Wunsch haben wir ihr erfüllt.

Friedwald

Zu Besuch bei Mama – die Sonne spielt in den Baumkronen.

Nun liegt ihre Urne unter einem Ahorn inmitten vieler Buchen im Friedwald auf der Insel Usedom. Es ist ein schöner Ort, an dem es raschelt und zwitschert und der Wind nicht selten in den Baumkronen rauscht. Als sie beerdigt wurde, lag Schnee. Im Frühjahr kam helles Grün. Im Sommer tanzten die Sonnenstrahlen durch das Blätterdach. Wann auch immer ich an ihr Grab komme – es ist immer schön dort. Seit der Beerdigung ist meine Mutter in jedem Wald, so wie mein Vater in jedem Meer.

Eigentlich wollte ich mich ein paar Wochen sammeln und dann im Blog etwas über die Mama erzählen, genau so, wie ich zwei Jahre vorher über meinen Vater geschrieben habe. Doch als der Ukraine-Krieg begann, erschienen mir alle meine Gedanken nichtig im Vergleich mit dem Grauen, das den Menschen dort angetan wird. Wie kann man dem gewaltsamen Sterben, der Zerstörung, der Angst und dem Horror in diesem so nahen Krieg mit Alltagsgedanken und Alltagstrauer begegnen?

Funktionsmodus

Nun sind die meisten Menschen in der Lage, sich an den Schrecken zu gewöhnen und trotz allem in einen mehr oder weniger normalen Funktionsmodus umzuschalten. Für meinen Mann Ralf und mich kamen mit dem Frühling und dem Sommer arbeitsreiche Monate. Motorboot- und Segelkurse gingen wieder los, die Boote mussten bereit gemacht und ins Wasser gebracht werden, auch im Büro war jede Menge zu tun.

Glückliche Momente

Sonnenuntergang in Kloster, Insel Hiddensee

Und wir hatten tatsächlich einen schönen Sommer mit vielen glücklichen Momenten. Sogar ein Segelurlaub war möglich, und so sind wir im Juni über Stralsund, Hiddensee und Rügen nach Bornholm gesegelt und haben einige wunderbare Tage auf dieser schönen Insel verbracht. Es war eine im Großen und Ganzen normale Saison. Außer arbeiten und segeln, essen und schlafen geht da nicht viel.

Unbedingt sehenswert: die Festung Hammershus im Norden Bornholms
Rundum nur Wasser! Segeln ist eine faszinierende Art zu reisen.

Doch nun sind fast alle Boote an Land. Die letzten Kurse beginnen an diesem Wochenende. Und da schiebt sich jetzt nachdrücklich die bisher so geduldige Warteschleife in den Vordergrund. Darin befinden sich neben den Blog-Themen auch eine Menge anderer Projekte, Pläne und außerdem Papierstapel, die dringend mal abgearbeitet werden müssten.

Trotz allem hatte der Sommer für uns schöne Momente.

Also los! Papierstapel können warten. Aber das Schreiben nicht mehr. Wir wissen nicht, was die nächsten Monate bringen werden. Aber ich hoffe, dass ich jetzt wieder öfter die Ruhe finde, diesen Blog und meine anderen Projekte mit Leben zu füllen. Die Warteschleife bekommt garantiert auch immer wieder Nachschub.

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3 Kommentare

  1. Freue mich die Warteschleife hat ein Ende.
    Katja du schreibst so gut, es macht mir Freude es zu lesen!! Die Worte kommen dir aus dem ❤!!!!

    1. Hallo Kalle, schön von Dir zu hören! Das möchte ich wirklich gern eines Tages machen – ein Buch aus den schönsten Texten. Liebe Grüße!

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